In den meisten Konzepten zur Todesvorstellung werden 4 Dimensionen benannt. Diese bilden sich bis zum Jugendalter aus.
1. Nonfunktionalität
In dieser Dimension wird realisiert, dass der Tod einen völligen Stillstand der Körperfunktionen bedeutet.
2. Irreversibilität
In dieser Dimension wird realisiert, dass der Tod nicht mehr rückgängig zu machen ist, er also eine Endgültigkeit beinhaltet.
3. Universalität
In dieser Dimension wird realisiert, dass alle Lebewesen einmal sterben müssen. Jedes Leben ist vergänglich.
4. Kausalität
In dieser Dimension wird realisiert, dass die Ursachen des Todes biologisch sind.
Unter Berücksichtigung dieser Dimensionen ist ein entwicklungspsychologisches Grundgerüst zur Entwicklung des Todeskonzeptes entstanden, dass vom Säugling bis zum Jugendlichen reicht.
4 Dimensionen im Konzept der Todesvorstellung
Von 0 bis 2 Jahren
In diesem Alter sind die kommunikativen und verbalen Ausdrucksmöglichkeiten sehr begrenzt. Das Kind kann noch nicht zwischen belebt und unbelebt unterscheiden und es ist dem Kind kognitiv noch nicht möglich die Endgültigkeit des Todes zu begreifen. Erlebt ein Kind in dem Alter den Verlust eines nahestehenden Menschen, beispielsweise einer Bindungsperson, also in der Regel einem Elternteil, dann wird dieser Verlust stark emotional erlebt.
Von 2 bis 4 Jahren
Mit der immer weiter voranschreitenden Entwicklung der Kommunikation fängt das Kind in diesem Alter an sich für den Begriff Tod zu interessieren. Es ist möglich, dass das Kind den Begriff mit Inhalt füllen will und Neugierde zeigt. Vor allem sind die Reaktionen von anderen Personen wichtig. Eine erste Vorstellung von belebt und unbelebt entwickelt sich, auch wenn die Fähigkeit den Tod mit seinen Folgen wirklich zu begreifen und fassbar zu machen begrenzt ist. Das Kind hat in diesem Alter nicht wirklich Angst oder Sorge vor dem Tod, da es der Auffassung ist, dass der Tod reversibel, also umkehrbar ist, ähnlich wie ein sehr tiefer und fester Schlaf
Ein Verständnis der Endgültigkeit ist noch nicht vorhanden. Das auch das Kind selbst irgendwann stirbt, ist viel zu abstrakt und ist in der Regel überhaupt nicht präsent in den Gedanken des Kindes. Das Kind denkt häufig magisch und hat Allmachtsfantasien. Ein animistisches Denken ist in der Phase ganz typisch, das bedeutet, dass unbelebten Gegenständen eine Lebendigkeit und menschliche Eigenschaften zugesprochen werden, beispielsweise dem Kuscheltier. Trauernde Kinder in dieser Phase suchen oft nach der verstorbenen Person, warten auf die Rückkehr oder fragen nahestende Personen wann die verstorbene Person wiederkommt. Zum Ende der Phase, also mit etwa 4 Jahren hängen die Vorstellungen vom Tod mit den Inhalten zusammen, welche die Eltern dem Kind vermitteln.
Von 4 bis 6 Jahren
In dieser Phase beginnt das Kind intuitiv zu denken. Das Kind entwickelt die Fähigkeit Dinge realistischer einzustufen und einzuordnen. Jedoch fällt es schwer die zugrunde liegenden Prinzipien und Ursachen nachvollziehen zu können. Dem Kind wird in dieser Phase präsenter, dass der Tod eine Trennung bedeutet, mehr als nur ein kurzer Abschied mit schnellem Wiedersehen. In dieser Phase wird dem Kind langsam bewusst, dass der Tod das Ende bedeutet, dieses Bewusstsein prägt sich über die Phase immer weiter aus.
Dennoch machen sich Kinder in dieser Phase noch Sorgen, dass die verstorbene Person noch Schmerzen haben könnte, Hunger hat oder es unter der Erde zu kalt ist. Das Kind ist oft der Überzeugung, dass der Tote sehr sehr fest schläft, aber nicht aufzuwecken ist. Der Tod wird in dieser Phase vom Kind häufig als Bestrafung oder Fehlverhalten erlebt. Auch ist das Denken des Kindes stark egozentrisch geprägt. Das Kind ist also der Überzeugung, dass die Dinge auf der Welt passieren, weil es selbst etwas getan hat => "Meine Mutter ist gestorben, weil ich so böse war"
Von 6 bis 9 Jahren
In dieser Phase wird der Tod oft personifiziert. Das bedeutet, ihm wird eine Persönlichkeit, ein Charakter, eine Figur oder eine Symbolik zugesprochen, beispielsweise der Sensenmann, das Skelett oder die Krähe. Das Kind ist häufig der Überzeugung, dass es dem personifizierten Tod entkommen kann, wenn es sich nur doll genug anstrengt oder einfach schlauer ist. Das Kind denkt also, es kann den Tod besiegen. Andererseits ist das Kind aber auch der Überzeugung, dass der personifizierte Tod vorbeikommen kann um es abzuholen.
In dieser Phase ist das Kind häufig weiterhin sehr interessiert, bei Interesse des Kindes sind Gespräche über die Todesvorstellungen sinnvoll und können dem Kind sehr helfen, vor allem hinsichtlich der Ängste und Sorgen. In dieser Phase wird dem Kind immer bewusster, dass jeder lebendige Organismus einmal sterben muss, auch das Kind selbst. Auch wird dem Kind bewusst, dass tote Menschen kein Hunger und keine Kälte mehr verspüren. Ursächliche Zusammenhänge und Logiken der Thematik können langsam begriffen werden. Es bildet sich langsam ein realistisches Todeskonzept aus.
Von 9 bis 12 Jahren
Das Todeskonzept des Kindes in dieser Phase wird weiterhin immer realistischer, es versteht, dass sich das Erscheinungsbild eines toten Menschen verändert. Kinder in diesem Alter die nicht direkt von einem Todesfall betroffen sind entwickeln nicht selten ein Interesse daran, einen toten Menschen zu sehen. Das Thema weckt häufig Interesse. Auch entwickelt sich in dieser Phase das abstrakt-operationale Denken, welches Jean Piaget in seiner Theorie beschreibt. Das bedeutet, dass sich die kognitive Entwicklung nicht mehr nur im hier und jetzt abspielt, sondern auch abstrakt gedacht werden kann.
Das Kind stellt sich vor allem zum Ende der Phase und zum Übergang in die nächste Phase abstrakte Fragen. Was ist der Tod eigentlich? Wieso gibt es den Tod? Warum müssen wir sterben und was geschieht nach dem Tod? Leib und Seele kriegen eine Bedeutung für das Kind. Nicht selten entwickelt sich eine Angst die Eltern und Großeltern zu verlieren. Kindern wird in dieser Phase häufig bewusst, dass auch ihre momentan gesunden und jungen Eltern sterben werden, diese Gedanken sind häufig mit starken Ängsten verbunden.
Ab 12 Jahren - Das Jugendalter
Ab dieser Phase können Kinder die Endgültigkeit und die Konsequenzen, die der Tod für sie hat erkennen. Die Denkmuster, über die auch Erwachsene verfügen, sind ihnen normalerweise zugänglich. Da die Endgültigkeit des Todes erkannt wird entstehen immer mehr Sinnfragen, und das häufig unabhängig davon, ob sie bisher mit einem Todesfall in der unmittelbaren Umgebung konfrontiert worden sind. Kinder entwickeln in der Pubertät ihre eigenen Gedanken und Ideen über den Tod.
Weitere Infos zu den Todesvorstellungen von Kindern
Insgesamt muss noch einmal erwähnt werden, dass dieser Ansatz zu den Todesvorstellungen eine Orientierung bietet, es ist von großer Bedeutung, wie viel das Thema Tod thematisiert wird, wie die Familie mit dem Thema umgeht und ob das Kind vielleicht sogar Todesfälle miterlebt hat. Wenn sich ein Kind für das Thema Tod interessiert, beispielsweise weil es eine nahestehende Person verloren hat, dann kann der kognitive und emotionale Entwicklungsstand insgesamt sehr unterschiedlich sein, vor allem in Krisensituationen von starker Trauer.
Daher ist es notwendig sorgfältig zu beobachten, was das Kind gerade braucht und wie man es emotionale angemessen und hilfreich ansprechen kann. Die Einteilung in eine entwicklungspsychologische Altersstruktur kann eine grobe Orientierung bieten, handlungsleitend sollte aber der individuell beobachtete emotionale und kognitive Entwicklungsstand des Kindes sein. Generell sollten dem Kind die Fragen kindgerecht beantwortet werden, dennoch möglichst realistisch. Dem Kind sollten also keine falschen Hoffnungen oder Gedanken gemacht werden, aber auch keine falschen verstörenden Gedanken. Das Kind muss verstehen, dass die verstorbene Person nicht mehr wiederkommt, dass es selbst aber nicht daran Schuld ist. Das Kind sollte aber auch nicht in dauerhafter übermäßiger Angst leben, dass es selbst oder andere jederzeit sterben können.